Jahresgabe

Mini but not extremely mini. In velvet if possible

Victoria Colmegna

Todschick im Zeugenstand:
Diese Edition basiert auf einer Serie, die in Victoria Colmegnas Ausstellung Love Needs Care in der Zürcher Galerie Weiss Falk zu sehen war (Love Needs Care war auch der Titel einer wissenschaftlichen Studie, die 1969 die Wirkung von Amphetaminen auf die Gehirne von Ratten untersuchte). Für die Serie malte Colmegna Fotos der Manson-Sekte, die sie in Zeitungen recherchiert hatte. Sie schlüpft dabei in die Rolle einer Modepolizei und macht so deutlich, welchen Reiz Gegenstände an den Rändern von Tatorten entwickeln können und welch erzählerisches Potential ihnen innewohnt. Anhand visueller Indizien in den Fotografien arbeitet sie solche Hinweise heraus: ein Lächeln, ein Kleid, die Farbpalette der Zeit (gemäß Jean Piagets Diktum, dass alles, was einem Kind erklärt wird, es um das Vergnügen bringt, es selbst zu entdecken). Auf der Suche nach einem solchen Vergnügen fragt sich Colmegna nun: Was (nicht wer) sind diese lächelnden jungen Frauen, die den Gerichtssaal abschreiten wie einen Laufsteg? Nichts an ihrer Erscheinung weist auf den Schrecken ihrer Bluttaten hin, die sie wie in einem sadistischen Kinderspiel begangen zu haben scheinen. Die Alchemie, die die „Manson Girls“ zu diesen unschuldigen Figuren werden lässt, erscheint hier als Druck auf Velourpapier, das an Sticker aus den 1990er-Jahren erinnert, und gipfelt im Versuch, diese bösen Mächte in lieb- reizende zu verwandeln, ganz so, als wären die Frauen Barbie-Puppen, mit denen man spielen und die man sich aufs Schulheft kleben möchte.
– Ruy Krygier